Auf den Spuren der Schwabenkinder – ein faszinierendes Schulprojekt

Der auf wahren Gegebenheiten basierende Roman „Die Schwabenkinder“ hatte mich vor vielen Jahren tief beeindruckt. Auch die dazu gehörende Verfilmung ist mehr als sehenswert. Für alle die das Thema nicht kennen: Es geht um Kinder aus dem Bregenzerwald, die um die Not ihrer Familien zu lindern, im Frühjahr mühsam zu Fuß hinaus ins reiche Schwabenland laufen mussten, um dort bei den Bauern etwas Geld zu verdienen, mit dem die Familien dann den Winter überleben konnten. Auf Wikipedia findet sich eine kurze Zusammenfassung dieses regelmäßigen „Schwabengehens“, das über Jahrhunderte bis in die erste Hälfte des letzten Jahrhundert stattfand.

Als dann die Lindauer Zeitung vor kurzem über ein Projekt der Bodenseeschule in Friedrichshafen berichtete, in dem eine Schulklasse den Weg der Schwabenkinder erkundet, war ich sofort begeistert und wollte mehr über diese grandiose Idee erfahren. Letzte Woche konnte ich mich ausführlich mit den SchülerInnen der siebten Klasse und ihrer Lehrerin unterhalten. Dabei ging es mir um drei Fragen, die auch viel mit unseren Themen von h2connect/Bodensee zu tun haben. Die Kinder hatten meine Fragen sogar im Vorfeld besprochen. Hier ist die Zusammenfassung unserer gemeinsamen Erkenntnisse:

1. Warum konnten bis vor 70 Jahren viele Familien  in den Bergregionen wie dem Bregenzerwald ihre Familie nicht ernähren?
Zwischen den steilen Bergen gibt es nur wenig geeignete landwirtschaftliche Flächen. Bei den niedrigen Temperaturen und langen Wintern wächst nur Gras, von dem sich dann nur eine sehr begrenzte Zahl von Kühen, Schafen oder Ziegen ernähren kann. Für die mehr als sechs Monate dauernde kalte Jahreszeit, in der kein Gras wächst, muss dann im Sommer auch ausreichend Heu gemacht werden. Sonst überleben die Tiere den Winter nicht. Die Menschen ernähren sich dann von der Milch, dem Käse oder dem Fleisch. Das reichte aber oft nicht, um die ganze Familie zu ernähren, vor allem wenn der Winter wieder einmal besonders lang war. Es gab auch sonst nur wenige andere Einnahmequellen, wie zum Beispiel den Verkauf von Brenn- oder Bauholz. Der Transport hinunter ins Rheintal oder nach Schwaben war zu dieser Zeit nur sehr mühsam mit Pferdefuhrwerken über das Bödele möglich. In Folge mussten viele Familien oft hungrig zu Bett gehen und ums Überleben kämpfen.
2.Warum hatten viele Landwirte in Oberschwaben dagegen einen Wohlstand erreicht und suchten nach billigen Arbeitskräften?
Im Schwabenland gab es dagegen sehr viel mehr landwirtschaftliche und fruchtbare Flächen, höhere Temperaturen und viel weniger Schnee im Winter. Von dem Weideland konnten die Bauern sehr viel mehr Kühe ernähren und damit auch Fleisch und Milch verkaufen. Gleichzeitig wuchsen in dem milden Klima Getreide, Gemüse und Obst. Damit war nicht nur die Ernährung gesichert, es entstand über viele Generationen wachsender Wohlstand durch den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte. In den Sommermonaten fehlten – wie auch heute noch – Arbeitskräfte. Da kamen die Kinder aus dem Bregenzerwald gerade recht, und die kosteten nicht viel Lohn.
3. Was hat sich heute im Bregenzerwald verändert? Warum sind die Menschen nicht mehr arm?

 

Mit der 1902 in Betrieb genommenen Bregenzerwälderbahn wurde vieles einfacher: Die zweistündige Fahrt entlang der Bregenzer Ach ermöglichte sehr einfach Holz oder Käse aus dem Bregenzerwald an den Bodensee zu transportieren und dort zu verkaufen. Auf dem Rückweg konnten z.B.  Düngemittel oder Getreide mitgenommen werden. Auch der Personentransport hat viel verändert: Arbeiter konnten nun in der Bodenseeregion Geld verdienen und Touristen bequem den Bregenzerwald besuchen. Einige Jahrzehnte später gab es dann immer mehr motorisierte Fahrzeuge und damit verbunden auch den Bau von Straßen und Brücken in den Bregenzerwald hinein. Dieser technologische Wandel förderte nochmals die Erschließung der Region, wie ich in einem früheren Beitrag beschrieben habe. Mit dem zunehmenden Tourismus (Skifahren, Wandern) und dem Export von Käse kam auch Wohlstand in die Region und das Hungern hatte ein Ende.

 

Das vor einem Jahr begonnene Schulprojekt, diese Zusammenhänge für die 29 SchülerInnen hautnah erlebbar zu machen, ist eine fantastische Idee der beiden Lehrerinnen Katharina Ertel und Susanne Hensinger. Mit viel persönlichem Engagement und mit Unterstützung von Erlebnispädagoginnen und Elternbeirat organisieren sie die mehrtägigen Touren, die in Etappen den Spuren der Schwabenkinder folgen. Zu Beginn diesen Schuljahres führte die zweite Etappe zu Fuß von Dornbirn steil hinauf auf das Bödele nach Bezau und weiter nach Schnepfau – eine Strecke, die so manchen Erwachsenen überfordern würde.

Im Zeitalter von Supermärkten, in denen billigste Lebensmittel aus der ganzen Welt eingeflogen und auch im Bregenzerwald gekauft werden können, ist es mehr als wichtig, der jungen Generation und ihren Eltern die Bedeutung von Lebensmitteln  – wie es der Begriff schon deutlich sagt – bewusst zu machen. Mit den zunehmende Wetterkatastrophen und Kriegen besteht heute wieder die Gefahr einer Lebensmittelknappheit – Zeit zum Nachdenken und auch zum Nachahmen dieses beeindruckenden Schulprojektes.

P.S: So ein Projekt ist mit viel Aufwand verbunden und auf Spenden angewiesen. Wer dies tun möchte, kann auf unser Konto die Spende überweisen und wir übergeben dann die gesammelten Beiträge an die Schulklasse. Die Lehrerinnen und Schüler freuen sich.

Die Kontonummer bei der Sparkasse Schwaben-Bodensee lautet:

DE33 7315 0000 1002 1986 36
BIC: BYLADEM1MLM

Verwendungszweck: Schwabenkinder

Gerne teilen wir den Lehrerinnen und Schülern auch die Namen der Spender mit. Wenn Sie das nicht möchten, schreiben sie einfach „anonym“ und den Verwendungszweck.

 

 

 

 

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