Elektromobilität ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema in der öffentlichen Diskussion geworden. Medienberichte überschlagen sich mit Forderungen nach mehr Ladeinfrastruktur, um die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen – sowohl Pkw als auch Lkw – zu erhöhen. Insbesondere die Automobilindustrie und der Verband der Automobilindustrie (VDA) betonen immer wieder die Notwendigkeit eines flächendeckenden Netzes öffentlicher Ladesäulen. Doch wie berechtigt ist diese Forderung?
Eine aktuelle Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeichnet ein differenzierteres Bild: Ja, die Ladeinfrastruktur wächst, aber die Nutzung der vorhandenen Ladesäulen lässt zu wünschen übrig.
Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Argumente in dieser Debatte und gehen der Frage nach, ob es wirklich immer mehr öffentliche Ladesäulen braucht – oder ob es vielleicht andere Ansätze gibt.
Das Argument der Automobilindustrie: Mehr Ladesäulen, mehr Akzeptanz
Die Automobilindustrie und ihre Vertreter argumentieren häufig, dass der Durchbruch der Elektromobilität von der Verfügbarkeit öffentlicher Ladestationen abhängt. Ohne ausreichende Ladeinfrastruktur würden viele potenzielle Käufer von Elektrofahrzeugen abgeschreckt, weil sie befürchten, unterwegs keine Lademöglichkeit zu finden.
Tatsächlich sind öffentliche Ladesäulen für viele Menschen die einzige Möglichkeit, ihr Fahrzeug aufzuladen, insbesondere in städtischen Gebieten, wo private Lademöglichkeiten oft fehlen. Ein Mangel an Ladeinfrastruktur könnte daher ein echtes Hindernis für die Beschleunigung des Übergangs zu einer emissionsfreien Mobilität darstellen.
Die Realität laut BDEW: Genügend Ladesäulen, aber wenig Auslastung
Laut dem aktuellen Elektromobilitätsmonitor des BDEW ist die Zahl der öffentlichen Ladepunkte im ersten Halbjahr 2024 um beachtliche 16.063 auf insgesamt 134.226 gestiegen. Damit hat Deutschland bereits eine Ladeleistung von 6,3 Gigawatt installiert – mehr als doppelt so viel, wie von der EU als Mindestanforderung vorgegeben. Auch die geografische Verteilung der Ladepunkte schreitet voran: 53 Prozent aller deutschen Kommunen verfügen mittlerweile über mindestens einen öffentlichen Ladepunkt, rund 94 Prozent der Bevölkerung leben in einer Kommune mit Ladeinfrastruktur. Allerdings ist die Auslastung der Ladesäulen sehr gering. Im Durchschnitt sind nur 14,5 Prozent der Ladesäulen zeitgleich belegt, in einigen Regionen sogar weniger als 5 Prozent. Selbst in Spitzenregionen wie dem Landkreis Böblingen liegt die Auslastung bei maximal 29,2 Prozent.
Hier liegt das Dilemma: Obwohl die Infrastruktur wächst, sind die Ladesäulen oft unterausgelastet. Investoren, die auf eine hohe Nachfrage hoffen, könnten enttäuscht werden, wenn der Ausbau der Elektromobilität nicht schneller voranschreitet. Dies führt uns direkt zum Henne-Ei-Problem der Elektromobilität: Sollen wir erst mehr Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen, um die Auslastung zu erhöhen, oder weiter massiv in die Ladeinfrastruktur investieren und hoffen, dass die Fahrzeuge folgen
Tesla zeigt einen anderen Weg: es geht auch ohne Förderung!
Während viele auf staatliche Förderung und den Ausbau öffentlicher Ladesäulen setzen, ging Tesla einen anderen Weg. Statt öffentliche Ladeinfrastruktur zu fordern, hat das Unternehmen bereits frühzeitig eigene Ladeparks (Supercharger) aufgebaut und so ein eigenes Netz geschaffen, das auch ohne öffentliche Förderung auskommen ist.
Teslas Ladeparks sind strategisch gut platziert, effizient und werden von den Kunden geschätzt. Das Geschäftsmodell funktioniert, weil es auf die Bedürfnisse der E-Auto-Fahrer zugeschnitten und ganzheitlich gedacht ist: von der Batterie über das Auto bis zum Laden – alles aus einer Hand. Inzwischen nutzen auch immer mehr Fahrer von Fahrzeugen anderer Marken die Tesla-Ladeinfrastruktur, was die Attraktivität des Geschäftsmodells weiter unterstreicht.
Tesla zeigt, dass es nicht immer mehr öffentliche Ladestationen braucht, sondern intelligente Lösungen, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten sind. Das Unternehmen hat früh erkannt, dass das Ladenetz entscheidend für den Erfolg der Elektromobilität ist – aber nicht darauf gewartet, dass der Staat oder andere Akteure die notwendige Infrastruktur bereitstellen.
Eine mögliche Lösung: Ladeinfrastruktur mit Mehrwert
Ein weiteres Modell, das die Wirtschaftlichkeit von Ladesäulen verbessern könnte, ist der Einsatz von Batteriespeichern an den Ladestationen. Unternehmen wie ADS-TEC Energy bieten innovative Lösungen an, bei denen Ladesäulen durch Batteriespeicher ergänzt werden, die überschüssigen, billigen Strom speichern und diesen dann gewinnbringend auf dem Regelenergiemarkt verkaufen. Ein Beispiel zeigt das Titelbild: Es gibt viel Sonnenstrom und niemand hat Zeit zum Laden
Diese Lösung bietet mehrere Vorteile: Erstens können die Betreiber der Ladesäulen auch dann Geld verdienen, wenn gerade kein Fahrzeug geladen wird. Zweitens können die Netzanschlusskosten gesenkt werden, da weniger Netzkapazität in Anspruch genommen wird. Dies wäre eine Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit der Ladeinfrastruktur zu erhöhen und gleichzeitig die Integration von Energiespeichern im Netz voranzutreiben – eine Win-Win-Situation.
Am Ende bleibt die Frage offen: Brauchen wir tatsächlich mehr öffentliche Ladesäulen, um die Elektromobilität zu fördern?
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Bild: Petra Boeger mit KI