Auf der Internationalen Konferenz zur Elektromobilität im Jahr 2013 in Berlin hatte der damalige chinesische Technologieminister Wang Gang eindrucksvoll erklärt, dass klimaneutrale, elektrische Stadtbusse der schnellste Weg zur Einsparung von Klimagasen sind. Drei Jahre später waren schon 300.000 E-Busse in Chinas Städten unterwegs.
Vor kurzem hatte Electrive berichtet, dass im ersten Halbjahr 2024 ganze 353 E-Busse in Deutschland neu zugelassen wurden. Dabei sind die beiden Platzhirsche Daimler und MAN führend. Auf europäischer Ebene führt übrigens der weltweit größte, chinesische Bushersteller Yutong die Rangliste bei den neu zugelassenen E-Bussen an. Der Anteil an Neuzulassungen in Europa lag bei mageren 13 Prozent. Der Rest fährt mit neuen Diesel-Motoren. In China liegt der Anteil an den Neuzulassungen seit 8 Jahren zwischen 50 und 60 Prozent – nur so funktioniert der Wandel. Gleichzeitig können die chinesischen Hersteller mit ihren hohen Stückzahlen sehr viel kostengünstiger produzieren als die europäischen und schnell neue Märkte erobern. Ein entscheidender Aspekt in Zeiten knapper werdender Fördermittel.
Warum fällt es Deutschland und Europa so schwer, den Wandel agil voranzutreiben? Unsere Erlebnisse mit den Lindauer Stadtbussen helfen das etwas besser zu verstehen.
Vor fünf Jahren – im Herbst 2019 – und nicht zuletzt auf Initiative eines engagierten Bürgers – begannen die Stadtwerke Lindau als Busbetreiber sich erstmals mit dem Thema auseinanderzusetzen. Einige Monate davor war nach jahrelangen Verhandlungen die Clean Vehicle Directive (CVD) mit sehr klaren und ehrgeizigen Vorgaben zu emissionsfreien Bussen verabschiedet worden. Damit waren die von den Verbänden immer gewünschten, langfristigen gesetzgeberischen Leitplanken definiert. Und was machen Busbetreiber und Bushersteller? Sie lassen alles erst mal sehr langsam angehen.
Immerhin hatte Lindau schnell eine Studie zu emissionsfreien Bussen beauftragt. Deren Ergebnis, dass Batterie-elektrische Antriebe die einzig sinnvolle Lösung seien, fand im Aufsichtsrat und Stadtrat eine breite Zustimmung. Mit dem Tag und Nacht verfügbarem grünen Strom der Vorarlberger Kraftwerke (VKW) befindet sich Lindau auch in einer selten komfortablen Situation, was die Gesamtbilanz zu den CO2-Emissionen angeht. Dass man aufgrund der Fahrpläne und der begrenzten Reichweite der Batterie-Busse allerdings zwei komplette Busse mehr braucht (15 statt 13), hat auch die sonst so auf Ökobilanzen fokussierten Mitglieder des Stadtrates nicht gestört.
Hurra, Lindau bekommt die emissionsfreien Busse!
Kurz vor dem Jahresende 2020 mussten dann die Stadtwerke plötzlich die weiße Flagge hissen: Es wird keine E-Busse geben und wir müssen wieder neue Dieselbusse kaufen. Offensichtlich war die Herausforderung zu groß, und die Aufsichtsräte hatten wohl vergessen, den Fortgang des Großprojektes zu prüfen.
So röhren bis heute Dieselbusse durch die engen Gassen der Altstadt und durch die Wohngebiete. Da helfen auch die mehr als irritierenden Aufdrucke auf den Bussen (siehe Titelbild) nicht weiter: das ist Greenwashing vom Feinsten.
Vier Jahre später ist wieder „Action“ angesagt.
Die denkbar teuersten Berater wurden engagiert, um den Stadtbus neu zu organisieren und auf E-Busse umzustellen, so der ausführliche Bericht in der Lindauer Zeitung. Die so wichtige Option, sich mit dem Landkreis als Busbetreiber zusammen zu tun, wurde gleich verworfen. Doch gerade bei der sehr anspruchsvollen Umsetzung auf neue Antriebstechnologien sind strategische Kooperationen essentiell – insbesondere für einen „Mini-Betreiber“, wie es die Lindauer Stadtbusse sind. Die Verantwortlichen in Lindauer scheinen offenbar nicht dazu lernen zu wollen und unendlich viel Geld zu haben – oder doch nicht?
Der Strom für die elektrischen Stadtbusse soll jetzt zu 80 Prozent aus einer eigenen Photovoltaikanlage kommen, so die zur Unterstützung herangezogenen Experten der HS Kempten. Nachdem die Stadtbusse nur zwischen 23 Uhr und 5 Uhr Zeit zum Laden haben, jedoch nachts mit Sicherheit kein Strom aus der Photovoltaik kommt, bleibt es ein Rätsel, wie das angedachte Konzept aufgehen soll. Dazu kommt, dass auch in Lindau die Sonne nur zu etwa 20 Prozent (1.800 Stunden) eines Jahres scheint und das bevorzugt in den Sommermonaten. Das scheint aber keinem der Verantwortlichen aufgefallen zu sein.
Zu guter Letzt noch eine kleine Hilfestellung: Die großen Speicherseen des Partners VKW, wie der Silvretta-Stausee, sind der ideale und schon vorhandene Stromspeicher: Wenn es viel Strom aus Photovoltaik gibt bleibt das Wasser oben, und wenn keine Sonne scheint und die künftigen Stadtbusse nach Strom dürsten, dann lässt man das Wasser über die Turbine ins Tal fließen – so machen es die Vorarlberger, die gerade 100 E-Busse Zug um Zug in Betrieb nehmen.
Tja – eine schöne Geschichte. Der kommunalpolitische Weg seit min. 20 Jahren. Kooperativ denken über die Stadtgrenzen hinaus…. war und ist nicht „Aufgabe“…lieber „Selbermachen“ wollen – aber kein Geld dafür haben..
So ähnlich läuft das auch mit der Energieversorgung… weil wir in Lindau ja keine Alternative zum Erdgas brauchen. Wir warten einfach auf den Wasserstoff…(Ironie – off)