Beim Anblick der Schlagzeilen in den Nachrichten-Portalen zur Elektromobilität dominieren eindeutig chinesische Hersteller und das auch noch mit sehr positiven Meldungen. Dazwischen taucht auch einmal eine Meldung zu deutschen Herstellern von E-Autos auf, derzeit häufig mit negativen Botschaften verknüpft (siehe Titelbild).
Beim Surfen im Internet finden sich schnell einige weitere interessante Aussagen zum Thema: Im Jahr 2019 gab es in China 500 Hersteller von E-Fahrzeugen. Durch den starken Wettbewerbsdruck hat sich die Zahl bis heute auf etwa 100 reduziert. McKinsey spricht in einer Mitteilung vom Juni 2024 von 130 Marken und 400 Modellen in China. Mit neun Millionen E-Fahrzeugen führt China deutlich die weltweite Produktion an.
Den Vergleich zu den deutschen und europäischen Herstellern kann gerne jeder für sich selbst anstellen.
Das Thema erinnert mich sehr stark an den Umbruch in der Fotografie in den 1990er Jahren: In wenigen Jahren erfolgte weltweit ein radikaler Wandel von der analogen Fotografie (Belichtung von Filmen und Fotopapieren) hin zur digitalen Fotografie, inzwischen überwiegend mit dem Smart-Phone. Viele renommierte Hersteller wie Kodak, Agfa, Rollei oder Leica kämpften ums Überleben und fristen heute höchstens noch ein Nischendasein. Besonders dramatisch war das Beispiel Kodak: Der weltweit sehr erfolgreiche Konzern mit einer 100-jährigen Geschichte hatte sich sogar intensiv mit der Digital-Photographie auseinander gesetzt. Trotzdem verlor er gegen die agilen Elektronikkonzerne aus Asien und musste schließlich in die Insolvenz gehen.
Diese Zusammenhänge werden seit mehr als 20 Jahren in der Fachliteratur zur Innovation behandelt und dort als disruptive (zerstörerische) Innovation bezeichnet. Auch die Begriffe Basis-Innovation oder Sprung-Innovation werden oft dafür verwendet. Ganz im Gegenteil zur kontinuierlichen Optimierung (inkrementelle Innovation), die wir in Deutschland seit Jahrzehnten hervorragend beherrschen, gelten bei den disruptiven Innovationen völlig andere Mechanismen. Bislang war Deutschland bei dieser Kategorie nicht erfolgreich. Woran liegt das?
Die folgende Aussage hilft vielleicht die Zusammenhänge zu verstehen:
Die Glühbirne wurde nicht durch die Optimierung der Kerze erfunden,
genauso wenig wie die LED aus der Weiterentwicklung der Glühbirne entstand.
Die neuen Technologien haben zu einem schnellen Ende der Vorgängertechnologie im Markt geführt.
Ein Unternehmen, das erfolgreich die traditionelle Technologie verkauft, müsste erst einmal das notwendige Know How zu einer völlig neuen Technologie im Unternehmen aufbauen. Diese Entwicklung müsste aus den Gewinnen mit den traditionellen Produkten finanziert werden, was in den Konzernen meist auf erheblichen Widerstand stößt. Dazu kommt, dass die großen Konzerne sehr langsam agieren und nicht mit der Geschwindigkeit der agilen Start-Up-Unternehmen mithalten können. Und dann müsste der Vertrieb auch noch ein neues Produkt verkaufen, dass mit den traditionellen in Konkurrenz steht und zunächst auch kaum Gewinne ermöglicht. Das sind stark vereinfacht die Gründe, warum westliche Konzerne mit ihrem kurzfristig Profitstreben bei den disruptiven Innovationen scheitern. Die Elektromobilität ist auch eine disruptive Innovation.
Was kann man dagegen tun? Schließlich geht es um die Arbeitsplätze der Zukunft.
Als erstes muss sich das Management dieser Zusammenhänge bewußt werden, was die deutschen Konzern bei der E-Mobilität nicht getan haben, und anfangen langfristig zu denken. Die Produkte der Zukunft werden am besten in ausgegliederten Unternehmen völlig unabhängig von etablierten Konzernstrukturen und -prozessen entwickelt – dann kann es funktionieren. Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns bleibt trotzdem hoch: siehe die 500 E-Fahrzeughersteller in China.
Titelbild: Schlagzeilen aus dem Newsletter Elektroauto News vom 27.11.2024
Vielen Dank für die Einordnung.
Ich denke, dass nicht nur das Management in den Konzernen, sondern sich auch die Denke der Aktionäre, bzw. Invest.-Gesellschaften ändern muss, statt nur auf die max. Rendite zu achten.
Das Management ist dazu dann der Erfüllungsgehilfe…Aber ohne Auftrag (Order) zu einem anderen Kurs machen die starken Menschen in den Führungsetagen nix, sonst ist die Karriere beendet…
Da hat China andere Möglichkeiten…