von Petra Boeger
Es gab einmal eine Zeit, in der wir das Wort „Verzicht“ eng mit der Fastenzeit in Verbindung brachten. Doch seit die Klimadebatte an Fahrt aufgenommen hat, scheint es, als ob „Verzicht“ zu unserem neuen Lieblingsbegriff geworden ist – allerdings reden wir weniger von Schokoladenverzicht als deutlich mehr von „Kein-Fleisch-für-die-Welt-Retten“.
Eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung zeigt, dass immer weniger Deutsche bereit sind, auf Dinge zu verzichten, um das Klima zu schützen.
Für die Umfrage von Civey für die Süddeutsche Zeitung wurden rund 5000 Menschen gefragt, ob sie bereit wären, für den Klimaschutz auf einen Teil ihres persönlichen Wohlstands zu verzichten. Mehr als zwei Drittel der Befragten sagten „eher nicht“ oder „auf keinen Fall“. Das klingt nach einer faulen Ausrede, nicht wahr? Doch vielleicht liegt das Problem weniger bei den Befragten und mehr bei der Art und Weise, wie wir die Fragen stellen.
Ich versuche Mal, die Frage ein wenig anders formulieren: „Wären Sie bereit, durch klimafreundliche Entscheidungen mehr Lebensqualität zu gewinnen?“ Wer würde da schon nein sagen? Hier klingt es nämlich anders: Klimaschutz ist kein Verlustgeschäft, sondern ein Gewinn. Wenn wir auf die Natur aufpassen, gewinnen wir alle – saubere Luft, weniger Lärm, gesündere Nahrung und ein stabileres Klima.
Werfen wir einen Blick zurück auf die Krise, die wir alle durchlebt haben – die COVID-19-Pandemie. Erinnern Sie sich daran, wie wir plötzlich keine Flugreisen mehr unternehmen konnten und wie wir kreativer werden mussten, um das Beste aus unserer Situation zu machen?
Wir haben gelernt, dass man nicht um die Welt jetten muss, um schöne Dinge zu erleben. Plötzlich waren Wanderungen im eigenen Land angesagt, und Videoanrufe ersetzten Geschäftsreisen. Warum? Weil wir das Beste aus der Situation gemacht haben. Wir haben gelernt, dass Veränderung nicht immer negativ sein muss. So ist das „auch noch klimafreundliche“ Homeoffice heute nicht mehr wegzudenken.
Warum also wird Klimaschutz immer wieder als Verzicht verkauft? Vielleicht, weil der menschliche Verstand eher auf direkte und unmittelbare Ereignisse reagiert, wie Hirnforscher und Konsumpsychologe Hans-Georg Häusel erklärt.
„Verzicht“ wird von den Klimaschutzgegnern gerne als diktierende Maßnahme dargestellt. Denn diese Leute wissen, dass unser emotionales Gehirn auf die Drohung „Verzicht“ mit Panik reagiert.
Aber unser emotionales Gehirn braucht keine Drohungen, sondern positive Aussichten. Wenn wir uns darauf konzentrieren, wie gut wir uns fühlen könnten – weniger Smog, weniger Staus, mehr Grünflächen –, dann sieht die Sache doch gleich ganz anders aus.
Die Natur liebt Steigerung, sagt Häusel, und das sollte auch unser Motto sein. Anstatt immer nur weniger zu verlangen, sollten wir mehr wollen:
mehr saubere Energie, mehr nachhaltige Produkte, mehr Lebensqualität.
Wenn wir aufhören, Klimaschutz als Bürde und Verzicht zu betrachten und anfangen, ihn als Chance und Gewinn zu sehen, dann wird auch unsere Bereitschaft steigen, mehr fürs Klima zu tun.
Bild: Petra Boeger, KI generiert: „Vorbeugen ist besser als lange und schmerzhaft zu leiden“