So lassen sich die beiden aktuellen Nachrichten aus Berlin zusammenfassen:
Die gute zuerst:
Etwa 5.800 Kilometer des bestehenden Fernleitungsnetzes für Gas – es ist fast 10.000 Kilometer lang! – können auf den Transport von Wasserstoff umgestellt werden. Robert Habeck vergleicht dieses nunmehr entstehende Kernnetz der Wasserstoff-Infrastruktur zurecht mit der Rolle, die deutsche Autobahnen für den Verkehr spielen. Gute Nachrichten also für Erzeuger, Kraftwerksbetreiber, Abnehmer von Wasserstoff, also diejenigen, die den wichtigen und speicherbaren Energieträger benötigen. Interessant für unsere Region ist, dass parallel Italien und Österreich die Schweizer Bemühungen um eine Reaktivierung der alten Öl-Pipeline aus Genua unterstützen. So soll die 3.000 Kilometer lange Gesamtstrecke für grünen Wasserstoff, die von Genua bis ins bayerische Ingolstadt führt, erschlossenen werden und könnte dann an das deutsche Kernnetz ankoppeln (siehe unser Blogbeitrag vom 7.Juni 2024)
Und nun die schlechte Nachricht:
Entgegen ersten Bekundungen soll der größte Teil der Bodenseeregion (außer der Leitung von Ulm nach Lindau, siehe Karte unten), die Ostalb und Oberschwaben bei diesem Wasserstoff-Kernnetz außen vor bleiben. Zumindest gehören sie zunächst nicht zu denjenigen, die ab 2032 – so die vorläufige Planung – in den Genuss des klimaneutral hergestellten Grünen Wasserstoffs kommen werden.
Gewiss, die Betreiber der betreffenden Fernleitungen schätzen, dass dieser Um- und Neubau mit etwa 20 Milliarden Euro zu Buche schlagen wird. Da ist es kein Wunder, wenn es in Sachen Finanzierung und Risikoabsicherung zwischen ihnen und der Bundesregierung kräftig geknirscht haben soll – wohl die Hauptursache für die Enttäuschung der Industrie und all derjenigen, die wissen, dass Wasserstoff im Energie- und Wirtschaftssystem der Zukunft eine tragende Rolle spielen wird. Und nicht vergessen: Der Ausbau des Übertragungsstromnetzes kostet sehr, sehr viel mehr als die Ertüchtigung des Gasnetzes, das auch die so wichtige Speicherfunktion übernimmt.
Da bietet die Auswertung des ZSW – dem Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung – , das den Wasserstoffbedarf der Industrie für die kommenden Jahre ermittelt hat, durchaus eine Überraschung und neue Erkenntnisse – und damit möglicherweise auch eine andere Sicht bei den Verantwortlichen beim Bund und den Netzbetreibern:
Es sind nämlich nicht die großen Industriezentren rund um Stuttgart und Mannheim, sondern Firmen der Ostalb und der dort ansässigen Grundstoffindustrie, die den höchsten Wasserstoffbedarf haben.
Noch besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass bei den Fernleitungsbetreibern weitere (bisher unverbindlich zugesagte“!) Leitungskilometer nachgemeldet werden können. Das ist essentiell, um die Verantwortlichen bei der Bundesnetzagentur und den Gasnetzbetreibern umzustimmen.
Titelbild: Karte Kernnetz: Quelle BNA