Richtig oder falsch: Der batterie-elektrische LKW ist die Lösung für den Transportsektor.

In der Ausgabe des Magazins KFZ-Anzeiger zur IAA Transportation 2024 beschreibt Prof. Werner Tillmetz, der Spiritus Rector unseres Netzwerks, weshalb er Zweifel an der Strategie mancher Unternehmer hat. Lesen Sie im Anschluss den ganzen Artikel.  Sehr aufschlussreich ist auch das Interview, das Dr. Susanne Roeder dazu mit ihm geführt hat. Sie können es mit einem Klick auf  Artikel Werner T. abrufen

Hier also der ganze Text des Artikels im KFZ-Anzeiger:

Grüner Strom kommt aus der Steckdose – jederzeit und so viel wir brauchen?

Der Titel des Beitrages mag seltsam im Zusammenhang mit alternativen Antrieben klingen, hat aber einen sehr ernsten Hintergrund. In den Strategien mancher Unternehmen, wie auch in den vielen Studien von Forschungsinstituten scheinen einige wesentliche Aspekte der Energie- und Mobilitätswende verloren gegangen zu sein. 

Wie funktioniert unser heutiges Energiesystem? Seit Generationen haben wir uns daran gewöhnt, dass zu jeder Tages- und Jahreszeit immer bedarfsgerecht und ausreichend viel Strom zur Verfügung steht. Über das, was hinter der Steckdose passiert braucht sich niemand Gedanken zu machen. Die Energieversorger schalten bei Bedarf Kohle- und vor allem Gaskraftwerke dazu oder wieder ab. Abbildung 1 zeigt eindrucksvoll Stromverbrauch und Erzeugung aus heute verfügbaren Quellen in einer typischen Winterwoche. Dies funktioniert relativ einfach, da die fossilen Energieträger wie Kohle oder Erdgas leicht speicherbar sind und bedarfsgerecht genutzt werden können.

Abbildung 1: Stromerzeugung und Verbrauch in einer typischen Winterwoche (Quelle: Energy Charts)

Wie ist das aber bei den dominanten Stromquellen der Zukunft: Der Wind- und Sonnenenergie? Die kümmern sich nicht um den Bedarf und sind ganz von der Tages- und Jahreszeit und dem Wetter abhängig. Zu diesem Thema kann man aus Abbildung 1 sehr viel lernen: Obwohl wir im letzten Jahr im Jahresdurchschnitt fast 60 Prozent grünen Strom erzeugt haben, macht sich dieser in der Woche vom 27. November 2023 ziemlich rar. Von den installierten 83.000 Megawatt Photovoltaik stehen nur an wenigen Stunden wenige Tausend Megawatt zur Verfügung. Auch von den 70.000 Megawatt installierter Windenergie ist vor allem in der zweiten Wochenhälfte nicht viel zu erkennen.

Mit anderen Worten: Egal wie viel Sonnen- und Windstrom wir installieren, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht, steht in Deutschland nur noch wenig grüner Strom aus Wasserkraft und Biogas zur Verfügung. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die wir dringend akzeptieren und verinnerlichen müssen. Auch der Ausbau des Stromnetzes hilft da nicht weiter, da fast alle gleichzeitig entweder zu viel oder zu wenig Strom haben. Ein Grund ist, dass ganz Europa und auch Afrika in fast der gleichen Zeitzone (Tag/Nacht) liegen. Darüber hinaus sind die Wetterbedingungen (Wind) über weite Teile Europas oft sehr ähnlich.

Woher kommt dann der Strom, wenn wir die fossilen Kraftwerke, die heute an vielen Tagen bis zu 50.ooo Megawatt an Leistung bereitstellen, alle abschalten? Darüber hinaus müssten wir künftig für die vielen geplanten E-Fahrzeuge und Wärmepumpen noch sehr viel mehr Leistung bedarfsgerecht zur Verfügung stellen.  Dies wird für vor allem bei den  kommerziell genutzten Fahrzeugen mit ihrem sehr engen Zeitfenster zum Laden, zu einer echten Herausforderung. Dazu ein Beispiel: Würden wir die Hälfte der heute 800.000 Busse und LKW gleichzeitig mit nur je 100 Kilowatt laden, dann bräuchten wir zusätzlich schon dafür zusätzliche 40.000 Megawatt an Leistung im Netz. Für jede Million E-PKW, die gleichzeitig mit je 20 Kilowatt geladen werden sollen, kommen nochmals 20.000 Megawatt an Leistung dazu. Das kann nie funktionieren.

Gleichzeitig haben wir über das Jahr verteilt zunehmend mehr Zeiten, in denen wir viel zu viel Strom aus Wind und Sonne (tagsüber) zur Verfügung haben. Ein erheblicher Anteil dieses Stroms, den niemand – meist auch nicht in den Nachbarländern – braucht – wird heute abgeregelt, d.h. einfach nicht genutzt. Im Jahr 2023 waren das bereits 10,8 Milliarden Kilowattstunden. Hätten wir diesen nicht genutzten Strom in Wasserstoff umgewandelt, dann hätte das für den Betrieb von 20.000 Bussen für das ganze Jahr gereicht.

In manchen Studien wird vom flexiblen Laden (d.h. wenn gerade viel Sonne oder Wind zur Verfügung steht) gesprochen. So etwas mag für Rentner, die für ihre wenigen Fahrten alle zwei Wochen das E-Auto bei Sonnenschein an der eigenen PV aufladen können, gut funktionieren. Ein Stadtbus, der seinen Fahrplan einhalten muss oder ein Spediteur, der „just in time“ liefern muss, hat überhaupt keine Flexibilität zum Laden der Fahrzeuge.

Dann speichern wir den Strom in Batterien. Das geht bis zu einem gewissen Grad, d.h. für wenige Stunden, ganz gut und hilft die lokalen Stromnetze zu entlasten. Müssten wir den Strombedarf für Tage oder eine ganze Woche (Abbildung 1) speichern, dann sind schnell 10 Milliarden Kilowattstunden an Speicher-Kapazität erforderlich. Dabei wissen wir nicht, ob in der kommenden Woche immer noch kein Wind weht. Die Sonne macht sich in den Wintermonaten sowieso rar. Um sich hier die Größenordnung an erforderlichen  Batteriespeichern bewusst zu machen, hilft eine Abschätzung der Kosten: Bei einem zukünftigen Preis von 200 Euro pro Kilowattstunde für den Speicher würden die 10 Milliarden Kilowattstunden 2.000 Milliarden Euro kosten, nur für Deutschland. Bei weniger Lade-/Entladezyklen pro Jahr werden die spezifischen Speicherkosten (Euro pro Kilowattstunde) unbezahlbar.

Wie können wir dann jederzeit und flexibel ausreichend grünen Strom bekommen? Das geht nur über Wasserstoff, der in sonnen- und windreichen Regionen Europas erzeugt wird und über die bestehenden Gaspipelines zu den Verbrauchern transportiert wird. Der Wasserstoff wird bei Bedarf in Gasturbinen in Strom umgewandelt. Wichtig zu wissen: Der Wirkungsgrad dieser Umwandlung liegt nur bei etwa 40 Prozent – und das wird in vielen, leider sehr irreführenden Diskussionen zu den Wirkungsgraden gerne vergessen. Hier wird immer davon ausgegangen, dass zeitgleich zum Laden immer genügend grüner Strom zur Verfügung steht (Abbildung 2). Das ist allerdings heute und in Zukunft nur begrenzt der Fall.  Zu den recht häufigen Zeiten mit zu wenig grünem Strom können E-Fahrzeuge nur mit Strom aus Wasserstoff-Kraftwerken geladen werden. Die Folge: Der reale Gesamt-Wirkungsgrad bricht auf das Niveau heutiger Verbrennungsmotoren ein!

Abbildung 2: Konzeptionelle Darstellung der Wirkungsgrade für Antriebstechnologien der Zukunft in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Sonne und Wind (eigene Darstellung)

Für alle Fahrzeuge, die sehr hohe Laufleistungen und wenig Flexibilität zum Laden haben, ist dann ein E-Antrieb mit Wasserstoff und Brennstoffzelle effizienter. Dazu kommt ein deutlich geringeres Gewicht für den Antrieb und Betankungszeiten, wie wir sie von heutigen Kraftstoffen kennen. Gerne werden die heute noch hohen Kosten für die Brennstoffzellen-Antriebe und den Wasserstoff als Nachteil aufgeführt. Hierzu ist wichtig zu verstehen, dass die Herstellkosten jedes technischen Produktes direkt mit der kumulierten Zahl an produzierten Einheiten zusammenhängen. Wir haben das die letzten Jahre sehr deutlich bei den Photovoltaik-Modulen oder Batterien erleben können. Viele asiatische Unternehmen haben das verstanden und investieren mutig und frühzeitig in den Ausbau der Produktionskapazitäten, inzwischen auch bei den Wasserstoff-Technologien. Damit erzielen sie im globalen Markt Wettbewerbsvorteile, die kaum noch aufzuholen sind.

Ein letzter Punkt, der in den heutigen Strategien und Studien viel zu wenig berücksichtigt wird, ist der enorme Energiebedarf für die Mobilität und den Güterverkehr. Aus Abbildung 3 wird sehr eindrücklich sichtbar, welch dominante Rolle die fossilen Energieträger bei der Energieversorgung bis heute spielen: Weltweit, in Europa und auch in Deutschland liegt das im Bereich von 80 Prozent des gesamten Energiebedarfs. Sonnen- und Windenergie spielen in Bezug auf den gesamten Energiebedarf – und nicht nur bezogen auf die Stromerzeugung – heute noch ein Nischendasein.

Abbildung 3: Historische Entwicklung der weltweiten Energieversorgung (Quelle Our World in Data)

Die fossilen Energien werden heute fast vollständig und kontinuierlich (Tag für Tag) nach Deutschland importiert. Dies hängt mit der einfachen Speicher- und Transportierbarkeit dieser Energieträger zusammen. Die dafür notwendige Infrastruktur, von der Pipeline bis zur Tankstelle, wurde mit sehr, sehr viel Geld über Jahrzehnte optimiert, und ist heute voll funktionsfähig. Die fossilen Energien sind weltweit der bedeutendste Wirtschaftsfaktor.

Was bedeutet das für die Energieversorgung von morgen?

Zur Beantwortung dieser Frage ist es wichtig noch ein weiteres Thema zu verstehen: Das weltweit real verfügbar Potential an Sonnen- und Windenergie übersteigt den heutigen weltweiten Energiebedarf um ein Vielfaches. Die riesigen Wüsten im Sonnengürtel der Erde und die fast unendlich langen, sehr windreichen Meeresküsten ermöglichen die Erzeugung riesiger Mengen an grüner Energie. In diesen meist menschenleeren Regionen kann der erzeugte Strom vor Ort kaum genutzt werden und ein Stromtransport rund um den Globus ist auch nicht realistisch machbar. Vor Ort können aus dem Strom flüssige Kraftstoffe erzeugt werden, die dann per Schiff, Bahn und LKW zum Verbraucher in den dicht besiedelten Gebieten der Erde transportiert werden. Dabei ist eMethanol einer der attraktivsten Energieträger: er kann direkt in leicht angepassten Motoren genutzt, oder zu den etablierten Kraftstoffen wie Benzin, Diesel oder Kerosin weiter veredelt werden. Wenn in den sonnenreichen Regionen mit einem Solarmodul zwei bis dreimal so viel Strom wie in Deutschland produziert und der Strom vor Ort nicht genutzt werden kann, dann ist die so beliebte Wirkungsgraddiskussion (siehe auch Abbildung 2) hier vollkommen fehl am Platz: Einzig entscheidend sind die Herstellkosten des Kraftstoffes inklusive der Transportkosten. Und nicht vergessen: die Speicherfrage ist bei diesen Energieträgern gelöst.

Fazit: Die Energie- und Mobilitätswende bedarf einer ganzheitlichen, zu Ende gedachten, langfristigen Strategie. Die Verantwortung dafür liegt bei den Unternehmen, die auch künftig ihre Produkte verkaufen wollen. Der Finanzwelt kommt ebenfalls eine Schlüsselrolle zu: Die notwendigen Investitionen für den Wandel übersteigen bei weitem die Möglichkeiten jeder Regierung und sind nur durch nachhaltig orientierte, institutionelle und private Investoren machbar.

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2 Kommentare zu „Richtig oder falsch: Der batterie-elektrische LKW ist die Lösung für den Transportsektor.“

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