Derzeit häufen sich die Schlagzeilen über immer häufiger auftretende negative Strompreise an der Börse. Das heißt, wer diesen Strom einkauft, bekommt sogar noch Geld dafür. Die einen finden das schlecht und befürchten, dass dann niemand mehr in die Stromerzeugung investiert, die anderen freuen sich über sinkende Strompreise.
Woher kommen die negativen Strompreise?
Das hängt mit dem rasanten Ausbau von Photovoltaik und Windenergie in ganz Europa zusammen. Mittlwerweile sind so viele Erzeugungskapazitiäten installiert, dass an sehr sonnigen oder sehr windigen Tagen – vor allem, wenn es gleichzeitig viel Wind und Sonne gibt – mehr Strom zur Verfügung steht, als nachgefragt wird. Selbst die Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen, wo man sich immer freut, wenn man billigen Strom einkaufen kann, um ihn dann bei Bedarf (z.B. nachts) wieder sehr teuer zu verkaufen, kommen an ihre Grenzen. Dann passiert das, was in der Marktwirtschaft immer passiert:
Wenn das Angebot eines Produktes die Nachfrage der Kunden übersteigt, fallen die Preise und umgekehrt.
Und was tun wir jetzt?
Am einfachsten wäre es, den Bedarf an Strom dem der Erzeugung anzupassen. Aber das ist gar nicht so einfach: Gekocht wird mittags, nach Feierabend und wenn die Familie Hunger hat. Niemand wird warten wollen, bis wieder ausreichend viel Sonne scheint oder Wind weht. Das Gleiche gilt für die Produktion in den Fabriken. Auch für das Laden der Batterie eines E-Fahrzeuges haben viele Nutzer nicht die Zeit, auf die passende Wetterlage zu warten. Anmerkung: der Bedarf an Strom hat noch nie zur Erzeugung gepasst. Das wurde schon immer über flexible Gaskraftwerke geregelt.
Also bleibt nur die Stromspeicherung. Am einfachsten geht das mit Batterien. Das funktioniert aber nur für wenige Stunden, denn dann braucht es wieder Sonne oder Wind, um diese aufzuladen. Die andere Variante ist, den überschüssigen Strom in Wasserstoff umzuwandeln. Der lässt sich gut speichern und ist vielseitig einsetzbar. Man kann dann daraus wieder Strom oder Wärme erzeugen oder ihn für Wasserstofffahrzeuge nutzen.
Und warum wird das nicht gemacht?
In Sachen Stromspeicherung und Wasserstofferzeugung tut sich aktuell sehr viel. Nur – um es ganz einfach und plakativ zu sagen – die Verantwortlichen in Politik und Unternehmen haben es in den letzten Jahren verpennt. Spätestens mit der Verabschiedung des novellierten Klimaschutzgesetzes durch die Große Koalition im Jahr 2021 hätte sich das jeder selbst ausrechnen können. Die dazu notwendigen Rechenkünste sind im Titelbild zu finden und stehen nach meiner Erfahrung in der dritten Schulklasse auf dem Lehrplan. Die Grafik unten zeigt dies am Beispiel der Stromerzeugung und des Stromverbrauchs in einer typischen Sommerwoche.
Und warum haben unsere Forschungsinstitute nicht darauf aufmerksam gemacht?
Die haben in ihren Studien gedacht, wir können den Strom in die Nachbarländer weiterleiten. Sie haben aber vergessen, dass diese Länder ebenfalls in Wind- und Sonnenenergie investieren und dann zur gleichen Zeit zu viel oder zu wenig Strom haben – Europa liegt fast komplett in der gleichen Zeitzone und hat meist über weite Teile ähnliche Wetterverhältnisse.
Was machen wir jetzt?
Zügig Speichertechnologien (Batterien und Wasserstoff) ausbauen und die Sektorkopplung vorantreiben. Letzteres bedeutet zum Beispiel aus überschüssigen Strom Wärme erzeugen und speichern.
– und auf der Ortsnetz – und Mittelspannungsebene (400V / 10 und 20 kV) muss der Speicher-Gedanke greifen. Dezentral und bezahlbar – und die Spitzenlast-Produzenten und Spitzenlast-Verbraucher werden auch Ihren Benefit bekommen – z.B.: durch kalkulierbare und verlässliche Strompreis-Modell der EVU´s.
Neue HGÜ-Trassen stärken nur die Konzen-Denke und die Übertragungsnetzbetreiber.
Dezentralität – Regionalität – Netzstabilität sollte die Denkart sein aus meiner Sicht.
Beste Grüße Joachim Seitz
P.S.: Und auf 10 (oder 20 kV) kV-Ebene könnte auch die ein, oder andere Gleichspannungsleitung zwischen Stadt- und Landgemeinden helfen, die PV-Strom – Tages-Ernten verlustfreier zu verteilen.
Zumindest könnten die Experten mal darüber nachdenken, wie das in ein zeitweise eh an der Belastungsgrenze befindlichen Ortsnetzes passen könnte…..bevor „Abgeregelt“ werden müsste …(wenn der PV-Ausbau so weitergeht…)