Ein halbes Jahr E-Auto – Erfahrungsbericht

Knapp 356.000 rein elektrisch betriebene E-Autos haben im Jahr 2021 den bis dahin  bestehenden Bestand (310.000) ergänzt. Petra und Helmuth,  zwei Freunde aus Ulm gehören dazu. Sie haben uns geschrieben, wie es ihnen dabei ergangen ist – auch im Angesicht winterlicher Temperaturen: 

Im Mai 2021 – nach 5 Jahren und über 200.000 km Laufleistung – lief die Finanzierung unseres vorherigen Autos aus. Wir überwiesen die fällige Schlussrate und stellten uns die Frage, ob wir das Auto bis „dass uns der TÜV uns scheidet“ fahren oder ein neues Auto zulegen sollten. Dabei konnten wir das aktuell schlechte Klima unseres Planeten natürlich nicht ignorieren. Also stand die Fragestellung Diesel, Benziner, Hybrid oder e-Auto gleichzeitig mit im Raum. Letztlich überzeugten uns – neben Null CO2-Austoß bei einem Vollelektrischen – zusätzlich 9.000 Euro staatlicher Kaufzuschuss und 10 Jahre Befreiung von der KFZ-Steuer bei der Anschaffung eines e-Autos. Doch: war das eine richtig gute Idee? Lesen Sie im Folgenden unseren Erfahrungsbericht nach 6 Monaten mit einem e-Auto.    

  1. Aller Anfang ist schwer
    1. Das e-Auto

Nach einigen Telefonaten, Besuchen, e-mails und Gesprächen mit und in Autohäusern europäischer Anbieter von e-Autos entschieden wir uns Ende Juni 2021 schließlich für das Leasen eines Modells eines slowakischen Autobauers. Das von uns eigentlich favorisierte e-Auto eines US-Amerikanischen Herstellers kam für uns wegen vergleichsweise höherer Anschaffungskosten leider nicht Frage. Unser e-Auto hat die in der folgenden Tabelle 1 dargestellten Leistungsdaten:

Tabelle 1: technische Daten e-Auto slowakischer Hersteller

Batteriekapazität: 82,0kWh Nutzbare Batteriekapazität: 77,0kWh
Ladeanschluss: Type 2 Schnelladeanschluss: CCS
Ladeleistung: 11kW AC Schnellladeleistung (max): 135kW DC
Ladezeit (0-420km): 8h15min Schnellladezeit (42 > 336km): 33min
Ladegeschwindigkeit: 51km/h Schnelladegeschwindigkeit: 530km/h
Leistung: 150kW (204 PS)
EVDB Reichweite: 420km Fahrzeugverbrauch: 183 Wh/km
WLTP (TEL) Reichweite: 534km Fahrzeugverbrauch: 144 Wh/km
WLTP (TEH) Reichweite: 510km Fahrzeugverbrauch: 151 Wh/km
Grundpreis: 43.959€

 

WLTP = Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure

TEH = Test Energy High

TEL = Test Energy Low

AC = Alternating Current (Wechselstrom)

DC = Direct Current (Gleichstrom)

CCS = Combined Charging System

Spätestens vor dem ersten Aufladen sollte man sich auf Wikipedia wesentliche Begriffe rund um die Elektrizität durchlesen. Das hilft, die Angaben besser zu verstehen. Wir wohnen in einem Mehrfamilienhaus in einer Mietwohnung. Zur Wohnung gehört ein Tiefgaragenplatz. An jedem Stellplatz ist eine Steckdose mit Hausstrom (230V/10A AC; ca. 2,3kW Leistung) angebracht. Eine Ladestation für ein e-Auto ist nicht vorhanden. 

      1. Das Aufladen

Also müssen wir das Aufladen des e-Autos an einer öffentlich zugänglichen Ladestation vornehmen. Im Umkreis von 1km zu unserer Wohnung befinden sich 6 Ladesäulen eines überregionalen Stromanbieters mit je 2, also insgesamt 12 Ladepunkten. Dort kann mit maximal 11kW geladen werden. Der Preis beträgt zurzeit 0,35€ pro kWh. Um dort überhaupt laden zu können, braucht man eine Ladekarte. Dazu muss beim Anbieter für 5,00€ pro Monat vorab ein Abo abgeschlossen werden. Mit diesem Abo können in Süddeutschland zusätzlich einige Tausend Ladesäulen genutzt werden. Außerdem gibt es in 5km Abstand zur Wohnung eine Schnelllademöglichkeit mit 140kW eines lokalen Anbieters. Hier kostet die kWh auch 0,35€. Das Aufladen der Batterie an der 11kW-Ladesäule bis 100% dauert je nach Ladezustand der Fahrzeug-Batterie und Außentemperatur zwischen 4-5 Stunden, an der 140kW-Ladesäule bis 100% etwa 1 Stunde. An Schnell-Ladesäulen auf Autobahn-Rasthöfen ist der Preis für die kWh etwa 50% höher als in unserem Wohnort. 

Außerdem wird die Fahrzeug-Batterie über die sogenannte Rekuperation aufgeladen. Dabei werden Bewegungs- und Bremsenergie umgewandelt in die Batterie geleitet. Bei maximaler Rekuperations-Einstellung und je nach Verkehrslage  ist es durchaus möglich, das Auto im normalen Straßenverkehr lediglich mit dem Gaspedal zu fahren. Die konventionelle Bremse kommt dann nur noch selten zum Einsatz. Auf längeren Abfahrten können so auch noch ein paar zusätzliche Kilometer Reichweite gewonnen werden.

    1. Die Reichweite

Die Reichweite ist abhängig von der Außentemperatur, von der Anzahl eingeschalteter Verbraucher im Auto (z.B. Klimaanlage, Sitzheizung, Licht, Navigation, Anzahl Mitreisender, etc.) und wo man fährt. Auf der Autobahn ist die relative Reichweite wegen der höheren Geschwindigkeit geringer als im Stadtverkehr. 

Verbrauch Sommer Reichweite 

(bei 77.000Wh Kapazität)

Verbrauch Winter Reichweite 

(bei 77.000Wh Kapazität)

Stadtverkehr: 125Wh/km 616km Stadtverkehr: 186 Wh/km 414km
Autobahn: 200 Wh/km 385km Autobahn: 257 Wh/km 300km
  1. Das e-Auto im Einsatz

Bis heute (Ende Januar 2022) sind wir etwa 4.000km mit dem e-Auto gefahren, pandemie-bedingt jedoch weniger als vor der Anschaffung des e-Autos gedacht (ca. 6.000km pro Halbjahr). Die weiteste Strecke an 1 Tag war bisher eine Fahrt im September 2021 bei etwa 22°Grad Außentemperatur mit 3 Erwachsenen von Ulm nach Karlsruhe, von dort nach Augsburg und anschließend zurück nach Ulm. Das waren etwa 500km. Wir haben die Batterie auf der Rückfahrt von Karlsruhe 1x voll nachgeladen. Die Batteriekapazität war bei der Rückkehr in Ulm mitten in der Nacht fast völlig aufgebraucht, was uns durchaus ein paar Schweißperlen auf die Stirn getrieben hatte, weil zwischendurch nicht klar war, ob wir es bis nach Hause schaffen werden. Mit etwa 50km Restreichweite hatte es dann aber doch geklappt. Im Winter haben wir auf der Strecke von Ulm – Karlsruhe – Ulm 2x nachgeladen (ca. 350km), was zusätzliche Reisezeit von ca. 90 Minuten plus höhere Ladekosten verursacht hat. 

Bisher hatten wir tagsüber 2 oder 3 Mal Probleme, eine freie Ladesäule zu finden, abends keine. Bei gutem Wetter stellen wir das Auto am späten Abend an eine der Ladesäulen in der Nähe zu unserer Wohnung ab, machen einen kleinen Spaziergang nach Hause und holen es am nächsten Morgen wieder ab.

Problematisch war bisher beim Laden die unserer Meinung nach schlechte Informationspolitik der Ladesäulen-Anbieter, zum Beispiel, wenn eine Ladesäule defekt war. Oft war diese Info nicht unmittelbar auf dem Display der Ladesäule erkennbar, sondern wir erfuhren es erst über die Anzeigen im und am Auto, dass das Laden nicht klappt. Ähnliches gilt für Ladesäulen, die nicht zum Abo dazugehören. Die Ladesäule informiert nicht, dass ein Laden mit unserer Abo-Karte nicht möglich ist. Positiv war hingegen in diesen Fällen die Erreichbarkeit der auf den Ladesäulen angegebenen Hotlines, auch wenn ein Defekt nicht beseitigt werden konnte. 

  1. Zu guter Letzt

Unser e-Auto ist ein Auto! Sprich, es bringt uns von A nach B, wir können damit unseren Wochenendeinkauf machen, die Familie oder Freunde besuchen, usw. Es ist toll ausgestattet und genauso komfortabel, wie sein Vorgänger. Der Unterschied zum Fahren mit unseren vorherigen Autos ist, dass wir jetzt viel öfter in Restreichweite denken, denn tatsächlich ist diese bei voller Batterie um etwa 50% geringer als bei unseren bisherigen Autos. Dies führt dazu, dass wir längere Fahrten übers Land oder auf der Autobahn quasi strategisch vorplanen müssen. Hierbei spielt die Verfügbarkeit von Schnellladestationen die größte Rolle, gefolgt von deutlich längeren Reisezeiten, die einkalkuliert werden müssen.

Irritierend sind in diesem Zusammenhang die Anzeigen im Fahrerinformationssystem. Laut Händler berechnet der Bordcomputer permanent den durchschnittlichen Stromverbrauch des Gesamtfahrzeugs, also Elektromotor für den Antrieb plus Klimaanlage, Licht, etc. In der Reichweitenanzeige erscheint aber nicht die theoretisch mögliche Reichweite (510km laut WLTP-Standard) sondern die Reichweite abzüglich des Stromverbrauchs der Verbraucher außerhalb des Antriebsmotors. Nach dem maximalen Aufladen der Batterie erscheint daher – je nach Außen- und Batterietemperatur – ein Wert zwischen 350km und 450km.

 

Aber auch diese Angabe stimmt nur bedingt. Vergleicht man beim Fahren nach dem maximalen Aufladen die Kilometeranzeige und die Reichweitenanzeige, so kann 1 gefahrener Kilometer auf der Kilometeranzeige durchaus 2 oder 3km minus auf der Reichweitenangabe bedeuten, und dies, obwohl ja der Stromverbrauch außerhalb des Antriebs vom Computer schon einberechnet wurde. 

In Deutschland sind laut Kraftfahrtbundesamt ca. 48,2 Mio PKW zugelassen, davon etwa 0,8 Mio e-Autos (ca. 2%). Hinzu kommen noch Plug-In-Hybride. Dafür stehen laut Bundesnetzagentur etwa 26.000 öffentlich zugängliche Ladesäulen zur Verfügung, ca. 3.700 sind Schnellladestationen. Durchschnittlich teilen sich somit 31 Autos 1 öffentliche Ladestation. Momentan sehen wir bei der relativ geringen Dichte an e-Autos in Deutschland kein Problem bei der öffentlichen „Lade-Versorgung“. 

Richtig spannend wird für uns daher die Planung und Umsetzung einer Urlaubsfahrt im Frühjahr – zum Beispiel von Ulm, über den Reschenpass nach Südtirol in Norditalien – werden. Das sind etwa 340km einfach, mit vergleichsweise sehr langen Anstiegen, die sicher viel Strom brauchen werden. Völlig unklar ist für uns momentan die Verfügbarkeit von Ladestationen auf dieser Strecke und in der Urlaubsregion. Dieser Erfahrungsbericht folgt!  

Photo privat

 

 

 

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