Nach einem Bericht der Schwäbischen Zeitung hat sich Friedrichshafen das Ziel gesetzt bis 2040 klimaneutral zu werden. Nachdem der Artikel einige Details der Pläne enthält, lohnt es sich, das eine oder andere Ergebnis der Experten von der Energieagentur Ravensburg kritisch zu hinterfragen:
Bis 2040 sollen 100 Prozent der Autos elektrisch fahren.
Nachdem ein Auto eine Lebensdauer von etwa 15 Jahren hat, dürfte in Konsequenz ab 2025 kein einziges neues Auto mit fossil befeuertem Verbrenner mehr zugelassen werden. Abgesehen davon, dass das rechtlich nicht geht, gibt es gar nicht so viele E-Autos zu kaufen. Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren 13 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland mit batterie-elektrischem Antrieb ausgerüstet. Wie haben sich die Autoren der Studie das mit den 100 Prozent E-Autos vorgestellt? Besonders spannend wird diese einfache Überlegung, wenn man schon 2035 klimaneutral sein möchte, wie das einige Gruppierungen in Friedrichshafen fordern.
„Den wichtigsten Hebel machen die Experten beim Thema Energie aus. Ziel sei eine hundertprozentige erneuerbare Stromerzeugung
vor Ort. Das soll hauptsächlich durch Photovoltaik gelingen.“
Schön und richtig, dass die Primärenergieversorgung zum zentralen Element ernannt wurde. Nur: wie realistisch ist das?
Heute importieren wir 70 Prozent unserer Energie in Form von Erdgas und Erdöl. Sogar bei der Stromversorgung kommt einiges aus fossilen Kraftwerken. In Baden-Württemberg ist die Energieversorgung heute zu 85 Prozent fossil! Die folgende Grafik zeigt, dass in Friedrichshafen die heimische Produktion von Sonnenstrom mit 2,4 Prozent bislang vernachlässigbar ist:
Grafik:
Stromversorgung Friedrichshafen 2021
(Quelle Klimaschutzkonzept Friedrichshafen 2030)
Nach den Plänen der Energieagentur soll der Strom im Jahr 2040 aber primär aus heimischer Sonnenenergie kommen. Was bedeutet das?
Heute liegt der Stromverbrauch in der Industriestadt Friedrichshafen bei 470.000 Megawattstunden. Für eine klimaneutrale Energieversorgung gehen die meisten Experten etwa von einer Verdoppelung des Stromverbrauches aus. Das heißt, dass in 2040 in der Zeppelin-Stadt jährlich etwa eine Million Magawattstunden bedarfsgerecht und rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen. Nachdem die Sonne nur zu etwa 20 Prozent der Zeit eines Jahres scheint, müssen 80 Prozent zwischengespeichert werden. Mit Kurzzeitspeichern (Batterien) kann man etwa 20 Prozent davon abdecken. Der Rest lässt sich nur über Wasserstoff speichern, der dann bei Bedarf über Gasturbinen wieder in Strom umgewandelt wird. In Summe lässt sich abschätzen, dass mehr als 3 Millionen Megawattstunden an Sonnenstrom produziert werden müssen, um die Stromversorgung für das ganze Jahr sicher zu stellen.
Produziert man diesen Strom auf Freiflächen und über Agri-Photovoltaik, wie in dem Bericht vorgesehen, dann benötigt man dafür eine
Fläche von etwa 6.000 Hektar für die Photovoltaik-Anlagen.
Das ist fast genau soviel wie die gesamte Fläche der dicht besiedelten Stadt Friedrichshafen!
Das kann so nicht funktionieren!
Fazit: Warum tun sich die vielen und gut bezahlten Experten so schwer ein realistisches Szenario für eine klimaneutrale Energieversorgung aufzuzeigen?
Vielleicht sollten sie öfter mal unseren Newsletter lesen.
Photo: Agri-PV in Kressbronn