Keine Angst vor großen Zahlen

Täglich werden wir von den Medien und Politikern mit Zahlen überschüttet, unter denen sich die meisten Zeitgenossen überhaupt nichts vorstellen können. Was kann man sich unter „Hunderten von Terrawattstunden an grünem Strom“ vorstellen? Oder:  Wofür sollen wir „Hunderte von Milliarden Euro für den Netzausbau“ bezahlen? 

Je nach eigenem Standpunkt werden auch Zahlen unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert. Wenn man nicht täglich damit umgeht, dann kann man die Dimensionen selber kaum richtig erfassen und einordnen. Ist eine Gigatonne Kohlenstoff in der Atmosphäre ok oder riskant? Warum streiten sich Leute über eine Temperaturerhöhung von nur 1,5 Grad? Weshalb sind 0,04 Prozent CO2 in der Luft ein Problem? Klingt doch so, als wäre das gar nicht viel.

In unserem ganz persönlichen Leben beschäftigen wir uns natürlich meist mit ganz anderen Dingen. Dabei leben wir bewusst in unserem gewohnten Umfeld und achten im Rahmen unserer Möglichkeiten auf den guten Umgang mit der Natur. Das ist gut so.

Es lohnt sich jedoch, ab und zu mal die Perspektive zu wechseln. Nicht jeder kann das in der Realität selber tun. Wir haben dafür aber viele Wissenschaftler im Einsatz, die uns davon berichten, was man erlebt, wenn man sein gewohntes, alltägliches Umfeld hinter sich lässt. Im Gespräch mit den deutschen Astronauten Ulf Merbold und Reinhard Furrer erzählten sie uns vor allem von der Erscheinung der Erde, die von außen betrachtet auf einmal klein und verletzlich wirkt.

Bild: NASA

Deshalb nehme ich Sie jetzt mal in Gedanken mit in die Erdumlaufbahn. Von hier oben sieht alles ganz anders aus. Grosses wird auf einmal ganz klein, Grenzen verschwinden, und auf einmal führen bekannte Erfahrungen nicht mehr weiter. Ah, da unten, der blaue Rand der Erde ist die Atmosphäre. Ganz schön schmal von hier oben betrachtet. Fünfzig Kilometer ist die Atmosphäre dünn, das sind nicht mal ein Prozent des Erdradius. Unser Wetter spielt sich dabei nur in den unteren zehn Kilometern ab.

Jetzt haben wir genügend Abstand von zu Hause gewonnen und können unsere Erde das erste Mal als Ganzes wahrnehmen. So groß ist unsere Erde ja eigentlich gar nicht. Dennoch klein genug, um sie mit unserer Kraft kaputt zu machen. Aber auch klein genug, um sie mit unserer Kraft auch wieder in Ordnung zu bringen!

Die Selbstheilungskräfte unserer Erde sind zu gering, um ohne unsere Mitarbeit schnell genug wieder ins Lot zu kommen. Um wieder zu unseren gewohnten Temperaturen zurück zu kehren, die ein Überleben möglich machen, müssen wir die CO2 Konzentration wieder auf 0,03 Prozent ausbalancieren.

Vorsicht, grosse Zahl: ca. 900 Gigatonnen Kohlenstoff befinden sich in der Luft gebunden in CO2 – 5 Gigatonnen kommen aktuell jährlich dazu. Den Zuwachs müssen wir nicht nur stoppen, sondern auch ein gutes Viertel des gesamten CO2 wieder einsammeln, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Mit Unterstützung der geeigneten Technik können wir das erreichen. Nicht sofort oder morgen, aber in den nächsten Jahrzehnten. Anfangen müssen wir aber heute und mit beherzten großen Schritten.

Schön kann man von hier oben sehen, dass wir den Kohlenstoff auch nicht in einem bestimmten Land einsammeln müssen. Unserer Atmosphäre ist das nämlich egal, ob ich den Kohlenstoff in Köln einsammle oder dort, wo die dafür nötige erneuerbare Energie sehr viel günstiger verfügbar ist.

Von hier oben werden auch die Zahlen für unseren Energieverbrauch besser fassbar. Der weltweite Primärenergieverbrauch liegt bei ca. 600 Exajoule im Jahr. Das entspricht ca. 1,7 Millionen Gigawattstunden.

Diese Energiemenge erzeugen wir heute ganz einfach und ohne groß nachzudenken, indem wir Kohle, Öl und Gas verbrennen. Ok, wir nutzen auch schon zehn Prozent an erneuerbaren Energien und zunehmend mehr, weil diese heute schon billiger sind. Es sollte uns also auch gelingen, alle Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Am schnellsten dort, wo diese sehr günstig herzustellen ist, also in den Wüsten der Erde oder in windreichen Regionen wie Patagonien… Und dann ziehen wir alle dort hin und leben alle zusammen ein zufriedenes Leben…

Ok, da passt etwas nicht ganz zusammen. Um passend zum täglichen Bedarf und am richtigen Ort genügend Energie zur Verfügung zu haben, braucht es noch etwas mehr. Wir siedeln uns ja heute auch nicht im Kreis um die Ölquellen in der Wüste an, sondern transportieren die Energieträger dorthin, wo wir sie brauchen und speichern sie solange in grossen Tanks, bis wir sie nutzen. Das können wir mit erneuerbaren Energien genauso machen. Allerdings liefern Solar- und Windkraftanlagen Strom, der sich leider als solcher sehr schwer speichern lässt. Um Strom zu transportieren gibt es eine ganze Reihe von Energieträgern, die aus Strom gewonnen werden können.

Zum Beispiel eignet sich Wasserstoffgas zur Speicherung und zum Transport per vorhandenen Gaspipelines oder in Druckbehältern. Oder auch flüssiges eMethanol, das sofort in der bestehenden Kraftstoffinfrastuktur verteilt werden kann. Es kann sogar einfach und günstig in Kanistern bis in die entlegensten Orte gebracht werden, wo auch immer Kraftstoff gebraucht wird.

Mit den gleichen Anlagen, die das CO2 zur Erzeugung von eMethanol aus der Luft einfangen, kann auch gleichzeitig noch mehr CO2 eingefangen und unschädlich gemacht werden. Und zwar in so großem Maßstab, dass es uns gelingen kann, in den kommenden Jahrzehnten die CO2-Konzentration wieder auf ein erträgliches Maß zu verringern. Gekoppelt mit der Erzeugung von eMethanol gelingt dies sogar sehr günstig, indem man die Energieströme in den Anlagen optimal nutzt.

Also: keine Angst vor großen Zahlen!

Wenn wir jetzt anfangen, global zu denken und gemeinsam zu handeln, gelingt es uns Menschen, die Klimaerwärmung auch wieder umzukehren.

 

Titelbild: Age Cymru @ unsplash.com 

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