Impressionen von einem jährlich wiederkehrenden Ritual
Unglaublich, die Massen an Menschen, die zum Ort des Geschehens strömen. Fast alle sind uniformiert mit Lederhose und Dirndl unterwegs – made in China – und extra für diesen Tag angeschafft. Unseren „Vorbildern“ aus Sport, Politik und sonstigen Promis muss man ja nacheifern und damit den „Freunden“ zeigen, dass man auch dazu gehört.
Natürlich hat jeder das beste und teuerste Smartphone griffbereit oder in einer zum Dirndl passenden Hülle um den Hals hängen – gleich neben dem farbenprächtigen, obligatorischen, aber ungenießbaren Herzerl. Man könnte sich ja im Labyrinth der Bierzelte verirren oder auf dem Heimweg die Orientierung verlieren – da ist so ein elektronischer Helfer schon überlebenswichtig. Noch viel wichtiger: das Selfie für die lieben Follower auf Instagram, um das unglaubliche und einmalige Erlebnis mitzuteilen – so wie die anderen sechs Millionen Besucher es auch erleben. Hoffentlich wird bald den dazu gehörenden Server-Farmen als erstes der Strom abgeschaltet und der digitale Schrott in die ewigen Jagdgründe verbannt.
Schade, dass es das 9 € Ticket nicht mehr gibt. Bei den Bierpreisen von bis zu 14 € muss man schon auf jeden Euro achten. Da haben es diejenigen, die geschäftlich am Ritual teilnehmen, schon sehr viel besser. Das Flugticket zahlt die Firma und die Zeche übernimmt das Partnerunternehmen.
Zurück zum Konsum: die Mengen an Bier und Fleisch sind überwältigend, trotz explodierender Preise, trotz Krieg, trotz Rekorden bei den Klimakatastrophen, trotz der weltweiten Flüchtlingsdramen und zunehmender Hungersnöte – aber man gönnt sich ja sonst nichts. Um die subjektiven Eindrücke zu objektivieren hilft ein Blick in die Statistiken: 7,3 Millionen Maß Bier, 434.998 verkaufte Brathendl und 130 verzehrte Ochsen. Insgesamt ein Umsatz von 1,1 Milliarden Euro in zwei Wochen. Das berichtet Statista für das eine, das bekannteste Ritual. Nicht zu vergessen: sehr viel von dem teuren Bier und den vielen Speisen landet im Abfluss und Müll.
Wer denkt bei dem rauschenden Fest schon darüber nach, wo das alles herkommt? Um die Hendl, Schweine und Ochsen zu produzieren werden zuerst die Urwälder in Brasilien gerodet (das ist die größte Klimakatastrophe überhaupt), dann Soja angebaut und nach Deutschland verschifft. Die Massentierhaltungen sorgen für Unmengen an Gülle, die dann im Grundwasser landet. Zum Glück kommt das Wasser für das Bierbrauen aus den noch vorhandenen sauberen Quellen.
Was tun?
Feiern ist schön und wichtig. Das „Wie“ ist entscheidend. Der berühmte Kater ist dabei das geringste Problem.
Konsumieren kann man eigentlich nur das, was man wirklich hat.
Heute verbrauchen wir Deutschen dreimal so viele Ressourcen wie uns im Sinne der Nachhaltigkeit zur Verfügung stehen. Einfach übersetzt heißt das: statt drei Maß nur eine oder nur alle drei Tage Fleisch essen statt täglich. Aber auch dreimal weniger Klamotten oder weniger „Modernes Spielzeug“ kaufen, das wir eigentlich nur zum Angeben brauchen, hilft dem Klimaschutz.
Hilfreich ist es, die dazugehörige Werbung zu ignorieren. Die dahinter stehende Industrie hat nur ein Ziel: den Konsum zu erhöhen. Das freut auch Volkswirte und Politik: mehr Konsum bedeutet mehr Steuereinnahmen und eine höhere Inflation. Letzteres hilft enorm, die einmal gemachten Schulden wieder „verschwinden zu lassen“.
In diesem Sinne: Prost!
Bild: privat
Wer ist der Autor dieser trefflichen und wahren Betrachtungen? Diesen Spiegel jedem vor das Gesicht zu halten, sollte in vielen Bereichen erfolgen! Ungeschminkt! Erst dann erreichen wir, dass der eine oder andere zum Nachdenken kommt und die Richtung ändert.
Das sind meine ganz persönlichen Impressionen von einem (geschäftlich bedingten) Besuch des Festes in der letzten Woche
Schlau ist es auch inne zu halten und nachzudenken – Statt immer „höher, schneller, weiter“ – „einfach besser“ zu denken und zu „machen“. Machen wirkt!
Beste Grüße
Jogi Seitz