Der Hype um HVO ist derzeit kaum noch zu überbieten. Die Berichte in allen Medien schüren dies und kritische Stimmen sind kaum zu hören. Dann wird das wohl alles seine Richtigkeit haben – oder?
Wie kann man so etwas prüfen? Lassen Sie uns das mal machen.
In einem Bericht des Südkurier steht zur Frage wie viel HVO Kraftstoff produziert werden kann:
Bis 2040 werde die Produktion weltweit ein Öläquivalent von mehr als 1000 Megatonnen erreichen können, verspricht die Firma Neste: „Diese Menge würde ausreichen, um alle in der Luftfahrt und im Schiffsverkehr eingesetzten fossilen Kraftstoffe und einen großen Teil der fossilen Kraftstoffe auf der Straße zu ersetzen“.
Erste Frage: was bedeutet eigentlich HVO?
Das steht für Hydrogenated Vegetable Oil. Frei übersetzt heißt das „Speiseöl, das mit Wasserstoff behandelt wurde„. Das findet man in vielen Berichten im Internet.
Zweite Frage: wie viel Speiseöl wird den heute produziert?
Da findet man im Internet bei Statista, dass das weltweit etwa 200 Millionen Tonnen im Jahr sind. Oh – da kann etwas nicht stimmen, wenn Neste behauptet einmal 1.000 Millionen Tonnen produzieren zu wollen. Da müssten wir Produktion und Verbrauch von Speiselöl verfünffachen – das ist mehr als unrealistisch. Noch viel schlimmer: einen wesentlichen Teil des Speiseöls verzehren wir ja, z.B. mit dem Salat oder den Spaghetti oder den vielen Schokokeksen. HVO wird ja aus gebrauchtem Speiseöl erzeugt. Das ist das „Frittenöl“ was in den Imbissbuden und Restaurants übrig bleibt und auch noch eingesammelt werden muss um in Raffinerien verarbeitet zu werden. Wie viel ist das dann? Das herauszufinden ist schwieriger. Eine Quelle geht von einem Potential 50-80 Millionen Tonnen aus. Das scheint im Vergleich zu den 200 Millionen Tonnen produzierter Pflanzenöle eine plausible Größenordnung.
Dritte Frage: wie viel Diesel-Kraftstoff wird heute verbraucht?
Das findet man auch schnell im Internet. Da steht, dass es 27 Millionen Barrel pro Tag sind. Wie man das in Tonnen umrechnet findet man auch im Internet. Da kommen dann etwa 1.300 Millionen Tonnen pro Jahr heraus.
Was können wir jetzt daraus lernen?
Heute produziert Marktführer Neste laut dem Südkurier 3,3 Millionen Tonnen HVO. Das sind dann ganze 0,2 Prozent des weltweiten Dieselverbrauches. Nehmen wir sehr optimistisch an, dass eines Tages 80 Millionen Tonnen HVO aus Frittenöl produziert wird, dann wären das 6 Prozent des Dieselverbrauches.
Also: sehr viel Lärm um fast nichts!
Die genannten 1.000 Millionen Tonnen HVO gehören in das Reich der Magie.
Noch eines: Der aufmerksame Leser hat sicher bemerkt, dass für Herstellung von HVO Wasserstoff benötigt wird. Heute wird das mit fossilem Wasserstoff (aus Erdgas erzeugt) gemacht. Das bedeutet, dass die Klimabilanz von HVO nicht 90 Prozent besser als fossiler Diesel ist, sondern nur 50 Prozent.
Das scheint aber dem Hype aber keinen Abbruch zu tun – der Mensch lässt sich gerne in die Irre führen – Fakten will niemand hören und auch nicht herausfinden, wo das doch relativ einfach geht.
Danke Werner fuer diese Klarstellungen.
Gut zu wissen.
Informiert euch doch erstmal bevor ihr so eine Rechnung anstellt. Das ganze Stimmt schon von Beginn nicht, weil so getan wird, als würde als Rohstoff bloß Speiseöl verwendet werden können.
Eifel-today nennt folgende Rohstoffquellen:
– Lebensmittelreste und Altspeisefette,
– Klärschlämme oder andere organische Abfälle
– sowie sonstige biogene Reststoffe – etwa jene, aus denen auch ein Biodiesel gewonnen werden könnte.
Die verfügbaren Massen sind noch bei weitem nicht erschlossen. Man beachte die Thematik der Viehbauern, die ihre Gülle beinahe nicht loswerden und dann auf dem Feld auskippen sodass es Probleme mit der Qualität des Grundwassers gibt. Oder die Massen an Strohballen, die unbenutzt an Feldrändern stehen und bei der Verrottung Methan freisetzen.
Was hat denn Klärschlamm mit Speiseöl (vegetable Oil – wie der Name HVO sagt) zu tun?
Es ist immer wieder faszinierend und frustrierend, wie viele Leute sich von einem Etikettenschwindel beeinflussen lassen.
Natürlich kann man auch aus Klärschlamm einen synthetischen Kraftstoff erzeugen (beispielsweise über Pyrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese). Das ist aber bis heute nicht kommerziell verfügbar.
Vielleicht gibt es in Ihrem Freundeskreis einen Chemiker oder Verfahrenstechniker, der Ihnen die Zusammenhänge erklären kann.
Guten Tag Herr Tillmetz,
ihre Aufstellung stimmt jedoch tatsächlich nicht, da für die Produktion von HVO bzw. XTL (X to Liquid, unter dieser Bezeichnung wird der Kraftstoff auch oft an Tankstellen angeboten) wobei X für den Ausgangsstoff steht, der nicht lediglich aus Altspeiseölen kommen kann, sondern auch aus anderweitigen Reststoffen, wie Schlachtabfällen, Fischöle, Algen, etc. genutzt werden kann. Entscheidend ist dabei die Hydrierung durch Wasserstoff. Wenn man sich das Video von Neste anschaut, bei dem die 1.000 Mt angesprochen werden, wird ja auch ganz klar erwähnt, dass das nur möglich ist, wenn alle Reststoffe konsequent verwertet werden, also nicht lediglich Altspeiseöle.
Viele Grüße
Nik
danke für die Info.
Frage: was ist denn bisher mit den Schlachtabfällen etc. passiert?
Wurden die zu Hunde- und Katzenfutter weiter verarbeitet?