Was haben denn diese beiden Begriffe mit der Energiewende oder der E-Mobilität zu tun? Eine ganz Menge, und deshalb ist für uns alle sehr wichtig, diese Zusammenhänge zu verstehen.
Lassen Sie mich mit einer kurzen Anekdote in das Thema einsteigen: Vor mehr als 10 Jahren hatten wir mit dem Bundesumweltministerium über E-Mobilität diskutiert. „Das geht gar nicht – Ihr könnt doch nicht den Haushalten den grünen Strom wegnehmen, um damit dann Auto zu fahren„, das war damals die sehr klare Reaktion der Kollegen. Eine solche Aussage ist heute kaum mehr denkbar, obwohl sich an den Fakten gar nicht so viel geändert hat.
Es stimmt: Nur sehr selten ist ausreichend grüner Strom für alle verfügbar: Wir brauchen ihn fürs Kochen oder Wäschewaschen, für das Licht und den Kühlschrank, für Computer und Fernseher und inzwischen für die großen Stromfresser E-Auto und Wärmepumpe. Im Jahresdurchschnitt liegt heute der Anteil an grünem Strom bei knapp 60 Prozent. Jetzt können wir heftig darüber streiten, welche der vorgenannten Verbraucher Vorrang beim Bezug des grünen Stroms haben und wer sich mit fossilem Strom begnügen muss. Ich persönlich plädiere dafür, dass Kochherd und Kühlschrank primär CO2-frei mit Strom versorgt werden sollten.
Anders als viele vermuten, wird sich daran in Zukunft nicht so viel ändern: Die Sonne scheint nun mal nur zu etwa 20 Prozent der Zeit eines Jahres. Damit wird es zu den restlichen 80 Prozent der Zeit mit Sicherheit keinen Sonnenstrom geben. Beim Wind ist es je nach Wohnort sehr ähnlich aussehen – zumindest in der Bodenseeregion hat er eher Seltenheitswert.
Zurück zu den Begriffen „Zusätzlichkeit“ und „Gleichzeitigkeit“. In den europäischen Regelwerken zu den Erneuerbaren Energien spielen diese Themen eine ganz entscheidende Rolle und wurden über viele Jahre in Brüssel heftigst diskutiert. Es ging um die Definition von „Grünem Wasserstoff“. Dieser darf nach den aktuellen Regeln nur als grün bezeichnet und entsprechend gefördert werden, wenn der Strom für die Elektrolyse durch zusätzlich installierte Stromerzeugungsanlagen (primär Wind- und Sonnenstrom) und nicht durch die bestehenden Anlagen erzeugt wird. Die „Gleichzeitigkeit“ bezieht sich darauf, dass der grüne Wasserstoff nur dann hergestellt werden darf, wenn zur gleichen Zeit auch die Sonne scheint und der Wind weht. Das sind zwar harte Einschränkungen für den regionalen Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, aber – bei etwas Nachdenken – sehr sinnvolle Einschränkungen. Schließlich wollen wir die Spaghetti auch mit ausreichend grünem Strom al dente kochen können und der dazu passende Wein sollte die richtige Temperatur haben.
Warum gelten diese Regeln mit der Gleichzeitigkeit und Zusätzlichkeit dann nicht auch für das Laden der E-Fahrzeuge? Das ist eine sehr valide Feststellung. Als die Gesetze in Brüssel diskutiert wurden, wollte man das gerade zu wachsen beginnende, zarte Pflänzchen E-Mobilität nicht kaputt machen und hat dazu sämtliche Augen zugedrückt.
Inzwischen wäre es aber sehr angebracht, wenn all diejenigen, die am liebsten alles so schnell als möglich elektrifizieren wollen, sich ein paar Gedanken zu Gleichzeitigkeit und Zusätzlichkeit der Erzeugung des notwendigen grünen Stromes machen würden.