Gas aus Katar – ja oder nein?

Beim Lesen des Ergebnisses einer Umfrage wäre mir beinahe das Frühstück im Hals stecken geblieben. Auf die Frage „Sollten wir nach dem Angriff der Hamas auf Israel auf Gaslieferungen aus Katar verzichten, auch wenn dadurch die Energiepreise in Deutschland steigen würden?“ hat die Hälfte aller Befragten mit Nein geantwortet. Die Verknüpfung mit der Parteipräferenz zeigt, dass die Anhänger der Grünen zu 32 Prozent mit Nein stimmten und die der Freien Wähler zu 72 Prozent.

Irgendwie passt das nicht zu den massiven geopolitischen Verwerfungen, die wir seit eineinhalb Jahren – und das schnell eskalierend – erleben. Die Zusammenhänge scheinen den meisten Zeitgenossen nicht bewußt zu sein und im Zweifelsfall kommt Wohlstand vor Moral – oder um es mit Bertolt Brecht zu formulieren: Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral!

Einige Fakten:

Katar und der Iran teilen sich das größte Erdgasfeld der Welt. Der Transport des Erdgases über Pipelines in den attraktiven Europäischen Markt wird bislang von Russland über die „Partnerschaft“ mit Syrien verhindert. Katar verflüssigt das Erdgas (minus 162 °C)  zu LNG und verkauft es sehr profitabel per Schiff in die ganze Welt. Nach Deutschland soll es ab 2026 geliefert werden und würde dann etwa 4 Prozent unseres Bedarfs ausmachen. Der größte Exporteur für LNG nach Deutschland sind die USA, die das Gas über das extrem umweltschädliche Fracking gewinnen (siehe dazu die sehr eindrucksvolle Reportage im ARD). Viel LNG kommt auch in anderen Europäischen Ländern an und wird über das Verteilnetz auch nach Deutschland geliefert. Die größten Exporteure nach Europa sind: USA, Katar, Nigeria und Russland! Der Anteil an LNG am Erdgasimport Europas liegt bei etwa 25 Prozent.

War das alles den Befragten bewußt?

Frage:  Wie wäre es mit einheimischem, grünem Gas?

Wenn Kanzler, Minister oder EU-Kommissare wieder einmal um die halbe Welt fliegen, um nach LNG zu betteln, könnten sie während des langen Fluges auch einmal darüber nachdenken, wie viel grünes Gas wir in Deutschland oder Europa selbst produzieren könnten. Dabei würde herauskommen, dass wir alles Erdgas durch selbst erzeugten grünen Wasserstoff ersetzen könnten*. Man müsste nur das Strommarktdesign anpassen – statt endlos über Industriestrom zu debattieren. Den Rest macht die Wirtschaft alleine. In Europa ist das noch viel einfacher. Da haben wir das sonnige Süd-Europa und viele windreiche Küsten.

Fazit: Nachrechnen lohnt sich – die Beherrschung des Dreisatzes ist ausreichend.

*Die Rechnung: in Deutschland werden auf 2,3 Millionen Hektar Land Energiepflanzen (Mais für Biogas und Raps für Biodiesel) angebaut. Würde man auf diese Flächen Photovoltaik-Anlagen setzen, dann könnten wir pro Hektar 500 MWh Strom erzeugen. In Summe sind das dann 1.150 TWh an Strom oder mehr als das Doppelte von dem, was wir heute in ganz Deutschland verbrauchen. Mit einem Wirkungsgrad von 70 Prozent in Wasserstoff umgewandelt, ergibt das 805 TWh an einfach speicherbarem Wasserstoff. Das ist dann die gleiche Energiemenge, die wir an Erdgas importieren. Die Botschaft an Russland, die USA oder Katar würde dann lauten:  Ihr könnt euer Erdgas behalten!

 

 

 

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1 Kommentar zu „Gas aus Katar – ja oder nein?“

  1. Diese Grundlagen-Kenntnisse sind leider nicht weit verbreitet, sonst würde ja langsam die Einsicht wachsen, dass vernünftige Speicher-Systeme die bessere Lösungen für unsere Stromversorgung sind, als der Ruf nach neue und starken Überlandleitungen von Nord- nach Süddeutschland. Eine Netzoptimierung muss immer von der Verbrauchseite aus gedacht und entwickelt werden und NICHT von der Erzeugerseite aus…

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