Nochmals nachdenken – Ein offener Brief an Professor Lesch

Lieber Herr Kollege Lesch,

diese Woche hatte ich die Gelegenheit mir zwei Ihrer Beiträge, nämlich die zu Wärmepumpen und eFuels, in der Mediathek von Leschs Kosmos anzusehen. Ihre exzellenten didaktischen Fähigkeiten und sehr überzeugenden Darstellungen haben inzwischen einen prägenden Einfluss auf das politische und mediale Geschehen in Deutschland.

Seit mehr als 30 Jahren beschäftige ich mich beruflich in verantwortlichen Positionen mit der ganzen Palette der Energietechnologien der Zukunft – von der Photovoltaik über Batterien bis zu Wasserstoff. Das führt mich zu den folgenden Fragen, die ich Ihnen gerne im Zusammenhang mit Ihren Beiträgen stellen möchte:

Wie Sie als Physiker wissen, führt die Rotation unseres Planeten zu regelmäßigen Zeiten ohne Sonnenschein. Dieses Phänomen, Nacht genannt, ist im Winter, verursacht durch die Neigung der Erdachse, besonders dominant. In Kombination mit dem Wettergeschehen führt das dazu, dass in den deutschen Wintermonaten zu etwa 95 Prozent der Zeit keine Sonne scheint, wie dies der Deutsche Wetterdienst analysiert hat. Ohne Sonnenschein gibt es auch keinen Strom aus Photovoltaik-Modulen, ganz egal wie viele installiert sind – da sind wir uns sicherlich einig.

Nachdem Wärmepumpen primär in den Wintermonaten betrieben werden, stelle ich Ihnen die Frage, wo denn der für deren Betrieb notwendige Strom herkommt? Denn es ist ziemlich viel Strom, den so eine Wärmepumpe braucht. Schließlich benötigen wir zum Kochen, für die Beleuchtung und für E- Fahrzeuge auch noch ausreichend Strom.

Wir haben doch noch den Strom aus Windkraftanlagen, wird wahrscheinlich Ihre Antwort sein.

Das ist richtig. Aber der weht auch nicht immer, um bedarfsgerecht den gewünschten Strom zu liefern. Wir alle spüren das leidvoll in den stabilen Hochdruckwetterlagen über Zentral-Europa. Im Winter bestimmen da über viele Tage dicker Nebel und Windstille unseren Alltag.

Was machen wir jetzt, lieber Herr Lesch? Im Kerzenschein frieren und das öffentliche Leben lahm legen? Ohne grünen Strom gibt es keine Wärme, keine Mobilität, kein ….!

Oder überschüssigen Strom speichern aus Zeiten von Wind und Sonne im Überfluß?

Das ist eine sehr gute Idee! Als Physiker wissen Sie aber auch, dass die Speicherung von Strom bis heute eine der ganz großen Herausforderungen geblieben ist. Die modernen Batterien sind zwar für viele Themen ganz gut geeignet. Um aber die Energiemengen vor Ort ernten und speichern zu können, die wir heute täglich in Form von Erdgas und Erdöl aus fernen Ländern für unsere Wärmeerzeugung und Mobilität importieren,  sind wir noch „Lichtjahre“ weit weg von Lösungen.

Mir fällt dazu nur noch Wasserstoff und seine Derivate wie Methanol als Lösung ein.

Sie lehnen diese Lösung aufgrund des schlechten Wirkungsgrades der Erzeugung kategorisch ab.

Aber seien wir ehrlich: Wenn ich mit Strom, den ich sonst nicht brauchen kann und einfach vernichte, Wasserstoff erzeuge, was für eine Bedeutung hat da noch der Wirkungsgrad? Oder: Wenn ich in menschenleeren Wüstenregionen mit dem gleichen Photovoltaik-Modul dreimal so viel Strom produzieren kann wie in Deutschland, wie bewerten Sie das dann im Kontext der so beliebten Wirkungsgrad-Debatte? Wäre da nicht eine vergleichende Kostenbewertung sinnvoller?

Die Rolle von Wasserstoff und seinen Derivaten im zukünftigen Energiesystem haben auch viele renommierte Unternehmen weltweit erkannt und bereits Investitionen über viele Milliarden Dollar ausgelöst. Auch sehr erfahrene Kollegen, allen voran Robert Schlögl, formulieren die Rolle von Wasserstoff sehr deutlich: Ohne ihn wird es keine Energiewende geben!

Vielleicht sollten wir alle nochmals nachdenken – gerne auch gemeinsam.

Mit kollegialen Grüßen

Prof. Dr. Werner Tillmetz

Bild: Nachtstrom (Eigenkomposition, inspiriert von Karl Valentins „Kaminkehrer bei Nacht“)

 

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8 Kommentare zu „Nochmals nachdenken – Ein offener Brief an Professor Lesch“

  1. Das Institut Weihenstephan hat schon vor 10 Jahren Power to Gas erforscht und es gibt auch schon marktfähige Anlagen dazu. Außerdem benötigen wir dabei nur 10% unserer Gaskavernen um mit 100% erneuerbarer Energien auszukommen. Aber scheinbar sind hier auch wieder Lobbyisten mit am Werk.

  2. Prof. Dr. Eberhard Drechsel

    Von den ca. 3000 TWh/a Primärenergieträgern importieren wir heute ca. 2/3 in Form von Kohle, Erdöl und Erdgas. Unsere gesamte Stromerzeugung mit ca. 500 TWh/a (davon z.Zt. durchschnittlich 50% regenerativ) ist also nur ein Bruchteil davon. Wir sind also auch in Zukunft auf Energieimporte in großem Umfang angewiesen. Diese sollten dann in Form regenerativer Energieträger aus Ländern im Sonnengürtel der Erde erfolgen. Das kann dann auf Grund physikalischer und geografischer Gegebenheiten nur Wasserstoff und seine Derivate (Ammoniak, Methan, Methanol, E-Fuels) sein. Saudi-Arabien bereitet sich mit riesigen Solarfeldern und Elektrolyseanlagen bereits auf dieses Szenario vor. Einer Pressemitteilung ist zu entnehmen, dass ein Strompreis von 1Cent/kWh und ein Preis von 80Cent/l für E-Fuels realisiert werden soll. Dies können wir mit deutschem Regenerativstrom nie erreichen. Wir sollten uns rechtzeitig wirtschaftlich und politisch auf diese künftige Situation auf dem Weltmarkt einstellen.

  3. Sehr geehrter Herr Prof. Tillmetz,
    welche Aussagen von Herrn Prof. Lesch sind wirklich falsch?
    Sie unterstellen Herrn Lesch, er lehne die Erzeugung von Derivaten aus Wasserstoff wie z.B. Methanol „kategorisch“ ab. Ich habe ihn so verstanden, dass er es wegen des schlechten Wirkungsgrades eines Verbrennungsmotors ablehnt, diese kostbaren Derivate aus Wasserstoff als Treibstoff in einem Auto mit Verbrennungsmotor zu verschwenden, weil ein batterieelektrisches Auto viel effizienter ist. Diese Meinung teilen übrigens auch Ihr Kollege Prof. Maximilian Fichtner und Prof. Quaschning.
    Vielleicht sollten Sie nochmals nachdenken?

  4. Sehr geehrter Herr Prof. Tillmetz,
    welche Aussagen von Herrn Prof. Lesch sind wirklich falsch?
    Sie unterstellen Herrn Lesch, er lehne die Erzeugung von Derivaten aus Wasserstoff wie z.B. Methanol „kategorisch“ ab. Ich habe ihn so verstanden, dass er es wegen des schlechten Wirkungsgrades eines Verbrennungsmotors ablehnt, diese kostbaren Derivate aus Wasserstoff als Treibstoff in einem Auto mit Verbrennungsmotor zu verschwenden, weil ein batterieelektrisches Auto viel effizienter ist. Diese Meinung teilen übrigens auch Ihr Kollege Prof. Maximilian Fichtner und Prof. Quaschning.
    Vielleicht sollten Sie nochmals nachdenken?

    1. Vielleicht sollten Sie meinen Brief nochmals in Ruhe lesen: wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht, dann stimmt die beliebte Wirkungsgradbetrachtung nicht mehr

      1. Wie wollen Sie Strom „vernichten“? Ich gehe davon aus, dass in absehbarer Zeit kaum noch ein Windrad nicht produzieren wird, weil der Strom gerade nicht benötigt wird bzw. die Netzkapazitäten für die Fortleitung nicht ausreichen. Strom, der gerade nicht benötigt wird oder nicht fortgeleitet werden kann, wird zur Produktion von Wasserstoff genutzt werden, weil wir den Wasserstoff und Wasserstoffderivate dringend benötigen werden, zum Speichern für eine effiziente Strom- und Wärmeproduktion in Dunkelflauten, für die Industrie, für Schiffe, Flugzeuge, für Sonderfahrzeuge, aber weniger für Busse und LKWs und schon gar nicht für PKWs.

        1. und warum macht Wasserstoff für PKW und LKW keinen Sinn? Bevor wir aus Wasserstoff Strom machen und damit die Batterien von Fahrzeugen zu laden, ist die direkte Nutzung von Wasserstoff im Fahrzeug effizienter.

  5. Sehr guter Brief und bedenkenswerte Fragen.
    Bin gespannt, ob Prof. Lesch antworten wird.

    Darüber hinaus wird nicht nur der „Grüne Energieanteil“ – und woher dieser künftig kommen soll – zu diskutieren sein, sondern auch der meist „eindimensionale“ und bewußtlose Umgang mit „den Energieformen“ – z. B.:
    Strom, Gas, Heizöl, Benzin, Kerosin, Abwärme (aus Produktionsprozessen), Umweltwärme (Luft, Wasser, Erdboden) u.s.w.

    Dabei soll es um die rationelle Verwendung gehen, um die geschickte Kombination und vor allem auch die Frage nach dem Bedarf – also „darf´s auch etwas weniger werden“!!
    Die „Höher, Schneller, Weiter-Denke“ – sowohl im Bereich der Konsumgüter, wie auch der Investitionsgüter wird ohne Kreislaufwirtschaft nicht mehr lange funktionieren.

    Deshalb – mehr Qualität – statt mehr Quantität – auch und vor allem im Bereich der Energieversorgung.

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